Evergrande vor dem Zusammenbruch?

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Die Krise um den überschuldeten chinesischen Immobilienentwickler Evergrande weitet sich aus. Am Montag brach der Aktienkurs zeitweise um mehr als elf Prozent ein und zog andere Aktien mit nach unten. Der Hongkonger Benchmark-Index Hang Seng verlor mehr als vier Prozent. Besonders stark fielen die Aktien anderer chinesischer Immobilienentwickler wie China Fortune Land und Guangzhou R+F. Die Wertpapiere der in Shanghai ansässigen Sinic Holdings mussten am Montagnachmittag Ortszeit sogar vom Handel ausgesetzt werden, nachdem sie um 87 Prozent eingebrochen waren. Die Unsicherheit auf den Immobilienmärkten bekam auch der Versicherungskonzern Ping An zu spüren. Sie gilt als einer der größten Investoren auf dem chinesischen Immobilienmarkt. Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Lage an den Märkten in den kommenden Tagen entspannen wird: Laut der Finanznachrichtenagentur Bloomberg muss Evergrande in dieser Woche mehrere wichtige Zinszahlungen leisten.

Evergrande mit massiven Schulden

Derzeit wird darüber spekuliert, wie lange die chinesische Regierung dem Niedergang des nach Vermögenswerten größten Immobilienentwicklers des Landes noch weitgehend tatenlos zusehen wird. Immerhin ist der Konzern, der mindestens 300 Milliarden Dollar Schulden angehäuft haben soll, für die Volksrepublik von großer Bedeutung. Evergrande entwickelt landesweit 1300 Immobilienprojekte und beschäftigt rund 200.000 Menschen. Außerdem hat sein Schicksal Signalwirkung für den gesamten Markt. Zwar hatte die chinesische Zentralbank vor den Feiertagen in der Volksrepublik, die noch bis Mittwoch andauern, Liquidität in den Markt gepumpt. Darüber hinaus hatte die Staatsführung aber nicht sichtbar zur Beruhigung der Lage eingegriffen. Beobachter werten dies als Beleg für die Strategie Pekings, die seit Jahren zunehmenden Schuldenexzesse des Sektors zu stoppen und zu signalisieren, dass diese Zeiten vorbei sind.

 Chinas Immobiliensektor: Steigende Refinanzierungskosten sind nicht das einzige Problem

„Das Risiko einer weiteren Ansteckung hängt in hohem Maße von der Kommunikation der Regierung und möglichen Interventionen ab“, so Ludovic Subran, Chefökonom bei Allianz Research. „Ein klares Signal, dass die Probleme von Evergrande eingedämmt werden, um größere Auswirkungen zu verhindern, könnte das Vertrauen stärken und die Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft begrenzen. Je später ein solches Signal gesendet wird, desto höher ist das Risiko einer Ansteckung, insbesondere wenn Evergrande kurz vor einem möglichen Zahlungsausfall steht“, sagte er.

Steigende Refinanzierungskosten sind nicht das einzige Problem, mit dem Chinas Immobilienentwickler zu kämpfen haben. „Die meisten Bauträger haben ein ähnliches Finanzierungsmodell wie Evergrande“, sagte Alicia Garcia Herrero, Chefvolkswirtin für den asiatisch-pazifischen Raum bei der französischen Investmentbank Natixis. Neue Projekte in Chinas Immobiliensektor werden weitgehend auf Kredit finanziert.

Der Anteil der Finanzierung aus Vorverkäufen liegt bei durchschnittlich 54 Prozent, und der Unterschied zwischen Evergrande und anderen ist nicht groß, erklärt Garcia Herrero. „Wenn die Haushalte aus Angst, ihr Geld wegen Evergrande zu verlieren, keine neuen Häuser kaufen, ist das ganze System in Gefahr“, warnt sie.

Im August war das Gesamtvolumen der Immobilienkäufe bereits um fast 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken, wie Daten des Nationalen Statistikamtes Chinas zeigen. Einer aktuellen Analyse der Ratingagentur Fitch zufolge könnte ein anhaltender Rückgang der Immobilienverkäufe dazu führen, dass Kreditgeber das Risikoprofil von Bauträgern in Zukunft genauer unter die Lupe nehmen. Demnach dürften hoch verschuldete Bauträger mit schwächelndem Geschäft Probleme haben, sich zu refinanzieren. Ein Zusammenbruch des Immobiliensektors würde auch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben Für China ist der Immobiliensektor von herausragender Bedeutung. Experten schätzen, dass rund ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt von diesem Sektor und verwandten Bereichen wie dem Bauwesen abhängt. Ein Zusammenbruch des Immobiliensektors würde daher auch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben, so die Experten.

Neue Richtlinien aus Peking und viele Schulden

Mit neuen Richtlinien will Peking dafür sorgen, dass der Finanzmarkt stabiler wird und sich Immobilienunternehmen nicht mehr so hoch verschulden. Außerdem sollen die Maßnahmen die in den letzten Jahren weiter gestiegenen Preise für Wohnungen in China dämpfen. Laut der Natixis-Analyse hat nicht nur Evergrande in der ersten Hälfte dieses Jahres alle drei Linien überschritten. Auch Country Garden Holdings, der zweitgrößte Immobilienentwickler nach Vermögenswerten, haben jeweils eine der roten Linien überschritten. Viele kleinere Konkurrenten mussten ebenfalls nachgebessert werden, darunter China Fortune DevelopmentSeazen Group und Guangzhou R+F.

China Fortune, ein mittelgroßer Immobilienentwickler mit Sitz in Peking und einem Vermögen von 73 Mrd. USD, befindet sich seit letztem Jahr in einer Liquiditätskrise. Ende August hatte das Unternehmen nach Recherchen des chinesischen Wirtschaftsmagazins Caixin umgerechnet 6,4 Milliarden Dollar an überfälligen Rückzahlungen und Zinsen. In der ersten Jahreshälfte hatte die Gruppe einen Verlust von umgerechnet 1,5 Milliarden Dollar gemacht.

Sichuan Languang, ein kleiner Immobilienentwickler mit einem Vermögen von 34 Milliarden Dollar, hatte im Juli ebenfalls eine Anleihe über 140 Millionen Dollar nicht zurückzahlen können. Als Gründe wurden Schwierigkeiten bei der Refinanzierung auf dem öffentlichen Markt, ein knapper operativer Cashflow und die von einigen Finanzinstituten geforderten Verschuldungsgrenzen genannt.

(FW)

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